Leistenschmerz beim Läufer

By: | Tags: | Comments: 0 | Oktober 5th, 2016

Laurenz_BlogEin Problem mit vielen Gesichtern

Eine plagende Leiste ist vielen Läufern ein bekanntes Ärgernis. Aufgrund des meist schleichenden Einsetzens des Schmerzes und der unangenehmen Lage wird eine ärztliche Vorstellung häufig hinausgezögert. An diesem Punkt sind die meisten Sportler bereits frustriert, da ein Training kaum mehr möglich ist.

Die Kombination aus einer komplexen Anatomie, der Variabilität dieser häufig unspezifischen Beschwerden und der Vielfalt der möglichen Ursachen, erschweren häufig eine schnelle Diagnosefindung. Zusätzlich können auch multifaktorielle Überschneidungen bestehen. Es wird dann oftmals eine sogenannte „Sportlerleiste“ festgestellt. Eine genaue anatomische Beschreibung der Leiste und der schmerzauslösenden Veränderungen würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, daher werden einige Erkrankungen exemplarisch aufgeführt. Grundsätzlich sollte man zwischen dem akuten und einem chronischen Schmerz der Leiste unterscheiden.

Die Ursache für den akuten Schmerz liegt meist in einer kurzzeitigen Überbelastung der Faszien, Muskeln, Sehnen und Sehnenansätze am Oberschenkel und an der unteren Bauch- und Rumpfmuskulatur sowie der Hüftgelenkskapsel. Unter den üblichen konservativen Maßnahmen wie einer Belastungsreduktion, medikamentöser Entzündungshemmung und Manueller Therapie verschwindet das Problem innerhalb von vier bis sechs Wochen. Bleibt die Symptomatik länger als sechs Wochen bestehen, so ist dies ein ernstes Warnzeichen, welches nicht übergangen werden sollte und einer genaueren Diagnostik bedarf. Aufgrund der Vielzahl an auslösenden Faktoren und Schmerzprojektionen muss eine ausführliche Anamnese erfolgen, und die Leistenregion ist strukturiert nach der Schmerzlokalisation zu untersuchen. Rückschauend geben die Patienten fast immer an, dass bereits länger ein schwellendes Druckgefühl der Leiste vorhanden war.

Die Diagnostik richtet sich nach der klinischen Untersuchung und kann Sonografie, Röntgen, MRT, Nervenmessungen, Laborparameter und die Untersuchung durch weitere Fachrichtungen einschließen. Beispielhaft kann bei einem Schmerz in der Schambeinregion eine Entzündung des Schambeins oder eine Schambeinast-Stressfraktur durch chronische Überbelastung vorliegen.

Etwas oberhalb können Leistenbrüche Schmerzen verursachen. Bei dem direkten Leistenbruch kommt es durch eine Schwachstelle der Bauchwand zu einem Durchtritt von Baucheingeweiden in den Leistenkanal. Typisch ist ein brennendes Druckgefühl, und bei Einklemmungen werden heftige Schmerzattacken ausgelöst. Eine weitere Ursache sind Nerveneinklemmungen, da mehrere Nerven in dieser Region die Bauchdecke und potenzielle Engstellen durchqueren. Typische Symptome zeigen sich in den jeweils versorgten Nervengebieten. So ist zum Beispiel beim Ilioinguinalissyndrom die Innendrehung und die Streckung im Hüftgelenk eingeschränkt.

Zusätzlich wird durch das Anspannen der Bauchdecke der entstehende Schmerz verstärkt, da der Ilioinguinalnerv durch die Muskelspannung der Bauchdeckenmuskulatur noch zusätzlich gereizt wird. Andere in der Nähe lokalisierte Nerven versorgen sensibel die Haut seitlich des Hüftgelenks oder ziehen an der Nierengegend vorbei, sodass es zu Komplikationen im Nierenbereich oder Gefühlsstörungen der Leisten- und Hüftgelenksregion kommen kann.

An der Innenseite des Leistendreiecks setzt der lange Hüftadduktor am Schambein an. Eine Beschwerdeursache ist neben einer chronischen Ansatzentzündung auch ein Einriss am Sehnen-Muskel-Übergang oder die Einklemmung des Obturatornervs. Möglich Folgen sind ein Taubheitsgefühl auf der Innenseite des Oberschenkels und eine Adduktorenschwäche.

 

„Das Thema ist komplex und vielgestaltig, die Leistengegend ist aufgrund der Lage ein Querschnitt von verschiedenen ärztlichen Fachrichtungen und erfordert eine Betrachtung über Fachbereichsgrenzen hinweg.“

 

Innerhalb des Leistendreiecks verursacht der Musculus iliopsoas regelmäßig Probleme. Dieser mehrteilige Muskel gehört zur inneren Hüftmuskulatur und zieht von der Lendenwirbelsäule und dem Becken zur Innenseite des Oberschenkels. Muskuläre Dysbalancen anderer Muskelgruppen wie der Adduktoren können eine Überbelastung verursachen. Bezug nehmend auf die Anatomie strahlen auch Probleme an der Lendenwirbelsäule, Entzündungen im Muskelverlauf oder Blockierungen der Iliosakralgelenke in die Leistenregion ein.

Aufgrund der großen Kontaktfläche mit den Beckenorganen sind hier weiterhin Ursachen für Leistenschmerzen zu suchen. Ein klassischer Auslöser ist das Hüftgelenk. Bei Läufern um das 30. Lebensjahr (Läuferinnen sind deutlich seltener betroffen) verdient das „femoro-acetabuläre Impingement“ eine besondere Beachtung. Hierbei ist die Form von Hüftkopf, Schenkelhals und Pfanne verändert. Es kommt zu Einklemmungen und Einrissen der abdichtenden Lippe. Der Schmerz strahlt von der Leiste sogar in die Gesäßregion. Die Beschwerden beginnen zunächst diffus nach dem Laufen und wechseln später zu einem stechenden Dauerschmerz.

Die Behandlung ist komplex und kann eine arthroskopische Operation notwendig machen. Eine Arthrose ist ebenfalls ein häufiger Befund. Typischerweise ist sie mit in das seitengleiche Kniegelenk ausstrahlenden Leistenschmerzen verbunden. Der Anlaufschmerz wird als Hindernis beschrieben, schränkt das Pensum zunächst jedoch nicht ein, da in der Bewegung der Schmerz wieder nachlässt. Meiner Meinung nach sollte so lange weitertrainiert werden, wie mit konservativen Methoden die Einschränkungen tolerabel bleiben. Die positiven Effekte des Laufens überwiegen in jedem Fall.