Kopf-, Schulter- und Nackenschmerzen bei Läufern
Bis zu 70 Prozent der Läufer leiden hin und wieder unter Schmerzen. Die Nacken- sowie Schulterregion und der Kopf bleiben davon leider während und nach dem Training nicht verschont. Meist sind das harmlose Verspannungen, die unter etwas Dehnung und Wärme nach wenigen Tagen wieder verschwinden. Zeigen sich diese Beschwerdebilder jedoch immer wieder, vermutet man eine tieferliegende Ursache. Diese muss lokalisiert und einer genaueren Betrachtung unterzogen werden, da sonst ein Kreislauf droht.
Grundsätzlich kommen verschiedene Mechanismen der Überbelastung des Schulter-Nacken-Dreiecks infrage, meist finden sich mehrschichtige Funktionsstörungen. Was bedeutet, dass individuelle Risikofaktoren, wie Bewegungsmusterstörungen, eine angeborene überdurchschnittliche passive Beweglichkeit von Wirbelgelenken oder eine Schwäche der Tiefenstabilität, vorhanden sind. Gerade bei der Tiefenstabilisierung werden komplexe Regelmechanismen benötigt, um ein aufrechtes Gangbild zu gewährleisten. Das findet entkoppelt von jeglicher willentlicher Einflussnahme statt!
Defizite in diesen Systemen sind auf den ersten Blick als „schlechte Haltung“ im Büro und Alltag erkennbar. Das führt zu statischen Problemen, die durch ein Training nicht einfach und schnell verschwinden. Mit zuunehmendem Alter werden diese Haltungsprobleme weiter verstärkt. Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend mit dauerhaft zunehmenden Schmerzen! Es benötigt stets weitere auslösende Faktoren, wie beispielsweise eine akute einseitige Fehlbelastung – das kann im Einzelfall mitunter eine belastende Sporteinheit sein.
Die häufigsten Kopfschmerzen, die rund 90 Prozent der Betroffenen ereilen, sind die gelegentlich auftretenden Spannungskopfschmerzen.
(Quelle:Fabian Seyfried/www.netdoktor.de)
Bei vielen Patienten zeigen sich individuell unterschiedlich stark ausgeprägte, jedoch konstant typische Veränderungen am Oberkörper mit erhöhter Spannung der Nackenstrecker am Hinterhaupt, der Schulterblattheber sowie der Brustmuskulatur. Regelhaft abgeschwächt und gehemmt, sind hingegen die Muskeln zwischen den Schulterblättern und der Halsbeugemuskulatur. Häufig sind diese auch anhaltend schmerzhaft. Jenes beschriebene Zusammenspiel wird in der Manualmedizin als oberes gekreuztes Syndrom nach Janda bezeichnet.
Funktionell betrachtet, entstehen beim Laufen neben Kompressionseffekten an der Halswirbelsäule Verschiebe- und Drehkräfte an den Wirbelgelenken, die sich durch die Notwendigkeit der aktiven lotrechten Zentrierung des Kopfes ergeben. Eine weitere wichtige Aufgabe des Schultergürtels ist die aktive Unterstützung der Atmung als Hilfsmuskulatur für das Zwerchfell.
Eine wichtige Rolle bei der Schmerzentstehung spielen die kleinen Hinterhauptmuskeln und die Kopfgelenke am oberen Ende der Halswirbelsäule. Diese reagieren auf eine erhöhte Muskelspannung der Nackenmuskulatur mit Funktionseinschränkungen, umgangssprachlich als „Blockierungen“ bezeichnet. Ein neuerdings zunehmend untersuchter Einflussfaktor ist die Stellung der obersten Halswirbel zum Schädel und das Zusammenspiel mit dem sogenannten „Trigeminozervikalen Komplex“. Kurzgefasst, scheint der Zusammenschluss verschiedener Strukturen am Kopf-Hals-Übergang eine außerordentlich wichtige Rolle bei der Entstehung von Verspannungen, Kopfschmerzen und Migräne zu spielen. An dieser Stelle ist unser medizinisches Wissen leider noch lückenhaft.
Welche Konsequenzen ergeben sich aus den zuvor geschilderten komplizierten Zusammenhängen? Nachdem strukturelle Veränderungen der Halswirbelsäule, wie beispielsweise eine Verengung des Rückenmarkkanals, vom Mediziner ausgeschlossen sind, ist zunächst der Laufstil zu analysieren. Entweder durch gezielte Beobachtung des Trainers oder durch eine videogestützte Auswertung bei einem Experten. So lassen sich Defizite aufdecken und Empfehlungen zur Ökonomisierung des Stils erarbeiten.
Frauen sind häufiger von Kopfschmerzen betroffen als Männer. Doch gibt es dabei Unterschiede: Migräne quält öfter das weibliche Geschlecht, die seltenen Cluster-Kopfschmerzen eher das männliche. Auch Kinder bekommen Kopfschmerzen und Migräne. BeiErwachsenen über 45 Jahren geht die Gesamtzahl an Kopfschmerz-Attacken statistisch gesehen leichtzurück.
(Quelle:Fabian Seyfried/www.netdoktor.de)
Verkrampfungen der Muskulatur spielen bei den genannten Beschwerdebildern eine große Rolle. Wichtig ist, dass gezielt an der Entspannung und Harmonisierung der Muskelfunktion gearbeitet wird. Geeignete Verfahren zur optischen Darstellung der Muskelspannung sind für den Arzt zum Beispiel die Oberflächen-EMG (Elektromyografie), welche eine Abklärung des Muskelruhetonus und der Aktivität ermöglicht. In der Trainingstherapie kann durch Biofeed-backverfahren erlernt werden, die eigenen Körpersignale besser wahrzunehmen und diese bewusst zu steuern.
Wie bereits in meinen Artikeln der vorangegangen Ausgaben angesprochen (RUNNING – Das Laufmagazin Nr. 171, 172), komme ich nicht umhin, auf die aus meiner Sicht besonders wichtige Funktion der Tiefenstabilisierung hinzuweisen. Eine ausreichend gute Tiefenstabilisierung ist unabdingbar. Eine förderlich ausgebildete Haltungs- und Bewegungskoordination stellt einen entscheidenden Faktor bei der Prophylaxe von Überbelastungen und der Verbesserung der sportlichen Leistungsfähigkeit dar.
Konkret bedeutet dies, dass die Überbelastung des Schulter-Nacken-Dreiecks reduziert, die Muskelspannung der Halsmuskulatur harmonisiert und durch den ökonomischen Laufstil Energie gespart wird. Im praktischen Training sollte daher auch ständig ein Ausgleich mit Kräftigung der Rumpf- und Haltemuskulatur (siehe dazu RUNNING – Das Laufmagazin Nr. 164, 169), idealerweise mit Koordinationsübungen erfolgen (siehe dazu RUNNING – Das Laufmagazin Nr. 165). Während des Laufens empfehlen sich dazu weiterhin gelegentliche Lockerungsübungen (in einer der folgenden Ausgaben geben wir Ihnen dazu konkrete Übungen an die Hand) oder ein kurzer Abstecher auf unbefestigten Untergrund.
von Christian Laurenz